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T r a n s - S i b i r i e n


Moscow and its subway (WS)



Express 5 Ulaanbaatar - Moskva, ChS2-941, Moskva Yaroslavl 1986 (WS)

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Moscow - Vorkuta, at Moskva Yaroslavskaya 1986 (WS)

Express Moskva - Ulaanbaatar - Beijing (WS)



Moskau, Jaroslawler Bahnhof, 29. Maerz 1988: Bisher ungehoerte Laute, Temperamentsausbrueche auf Chinesisch, Unmengen Koffer und noch mehr Kartons, ein Chinese schiebt ein ganzes Waegelchen voll Schachteln, chinesische Schaffner in dunkelblauen winterlichen Uniformmaenteln stehen vor den gruenen Schlafwagen, die das Staatswappen, nicht das Bahnwappen ihrer Heimat China ins Ausland tragen. Auf deren Sofas ist gegen Mitternacht bei Abfahrt noch lange nicht an Schlaf zu denken. Erst als der Zug schon ueber eine Stunde faehrt, kehrt in dem weißen Vierbettabteil unter der weißen Bettwaesche schlaefrige Ruhe ein und es kommt ins Bewusstsein: zum erstenmal im Leben in einem transsibirischen Express zu reisen. Es ist der planmaeßige Schnellzug 4, der um 23 Uhr 58 Moskau zu seiner 7865 Kilometer langen Fahrt nach Beijing verlassen hat.

Der neue Tag beginnt mit Enttaeuschung - Grippe aus Moskau. Aber ein zugefrorener Fluss, reglos unter einer Schneedecke im blassen Wintersonnenschein, dieser Anblick entschaedigt. Schnee und Wald begleiten zu beiden Seiten die Strecke, stundenlang. Auf dem linken Gleis kommt ein Zug mit gruenen und roten Wagen entgegen, dann ein anderer mit blauen und gruenen. Eine Chinesin im Gang spricht englisch - und gleich sind ganz viele Chinesen da, plaudern, uebersetzen, lachen. Wohin, woher? Munich? Einige sind aus Dalian, waren auf der Leipziger Buchmesse. Privat koennten sie sich die Fahrt nicht leisten, trotz des damaligen billigen Ostblocktarifs. Unsere deutschen Abteilnachbarn, Studenten, zahlten tatsaechlich fuer die Schlafwagenkarte erster Klasse von Budapest nach Beijing nur hundertzwanzig Mark.

Der Wald lichtet sich, eine Strecke muendet ein, es muss die Linie aus Moskau ueber Nizhni Novgorod und die Station Kotelnich sein. Eine Kleinstadt im Schnee, eine Taverne, eher Kantine, unter uns ein zugefrorener Fluss, wohl die Vyatka, dann wieder Wald. Und ab und zu der Sirenenton der Ellok.

Wieder einmal ein Bahnknoten, Gueterzuege mit der Wechselstromlok VL80, Diesellok mit nach innen geneigten Fenstern, 2TE10M oder 116, und alte TE3. Dann ein Halt, Kirov. Zum erstenmal aussteigen, auf dem Bahnsteig die Beine vertreten, Chinesen und Europaeer photographieren sich gegenseitig vor den Wagen aus Ammendorf, die Polizei schaut weg. Aber auf die Gleisbruecke darf niemand, jeder versteht das "njet". Kohle fuer die Heizoefen wird eingeladen, die chinesischen Schaffner kehren die Plattformen sauber. Jemand bemerkt, wie ein russischer Eisenbahner aus einem Waggon gescheucht wird. Bedeutet das rote Staatswappen so etwas wie Exterritorialitaet?

Es wird Zeit zum Mittagessen. Durch die Schlafwagen zieht der Duft nach Braten und Brutzeln. Toepfe voll siedendem Wasser aus dem Samowar werden durch den Gang balanciert, vor der Abteiltuer wird Reis gekocht, Schuesselchen und Teller werden herumgereicht. Im russischen Speisewagen gibt es Kaviar, Lachs, Borschtsuppe, Boeuf Stroganoff. Tischnachbarn sind ein Chinese aus Schweden und Charly, ein englischer Schauspieler, der in Japan sein Glueck versuchen will. Er waere gerne ueber Shanghai gereist, aber dort herrscht Cholera-Quarantaene. Ein Gang im Zug nach vorn fuehrt in die Luxusklasse mit Holztaefelung, dunklen Vorhaengen ueber den Scheibengardinen, Zweibettabteilen mit extra Fauteuil und eigenem Klo mit Dusche und mit herrlich altmodischen Lampenschirmen. Der Wagen ist fast leer, niemand weiß, wie man ihn buchen kann.

Um vier Uhr nachmittags kommt ein gelb-gruener Zug entgegen, der "Sibiryak" Novosibirsk - Moskau, dann ein hellblauer und ein gruener, wohl die Zuege "Kama" und "Ural" aus Perm und aus Ekatarinburg, damals Sverdlovsk, beide ueber Nizhni Novgorod nach Moskau. In Balezino macht "unsere" moderne Wechselstromlok ChS4T, welche waehrend der Nacht die Gleichstromlok ChS2 ersetzt hatte, einer anderen ChS2 in Rot platz. Gegenueber faehrt der Personenzug 183 Khabarovsk - Moskau ein. Gegen sechs Uhr abends kommt eine Garnitur mit 18 gruenen und blauen Wagen entgegen, vielleicht Nr. 351 aus Ulan-Ude, gefolgt von drei gruenen Zuegen. Sie muessten Wladiwostok - Kharkov, Krasnoyarsk - Moskau und Abakan - Moskau laufen.

Schraeges Licht scheint auf Birkenstaemme. Der Express faehrt von einer Huegelkette abwaerts. Unter der Abendsonne ein Dorf, die Straßen sind zugefrorene Eistuempel zwischen Erdwaellen. Ein gruener Zug ohne Laufschilder, also ein Sonderzug, Gueterzuege mit Doppellok VL11 in Fuenfminutenabstaenden und gegen neun Uhr abends ein langer Reisezug kommen entgegen - der Schnellzug 1 "Rossiya" Wladiwostok - Moskau. Lichter spiegeln sich in einer weiten Wasserflaeche: die Kama. Mit ueber einer Stunde Verspaetung Einfahrt in Perm, das einmal Molotov hieß. Hier stehen noch die alten Gleichstromlok VL22 und Diesel TE3. Auf dem Nachbargleis wartet ein hellblauer Zug mit weißem Streifen ueber den Fenstern, wohl zur Fahrt Perm - Moskau, und ein anderer in Gruen, beide mit der Einheitslok ChS2. Abfahrt in die Nacht...

Leichte Nebelschwaden, Mondlicht ueber Schnee und schwarzen Waldwipfeln, irgendwo der Qualm einer einsamen Fabrik gespenstisch vor dem Nachthimmel - die Fahrt durch den Ural.

Steppe, Ebene so weit das Auge reicht, nur mehr einzelne Schneeflecken, die Taiga - das Land Sibirien. Es ist der zweite Morgen seit Moskau, Gruendonnerstag. Ein Halt, Ishim. Die chinesischen Schaffner in ihren schoenen blauen Uniformen waschen von außen die Wagen, eine skandinavische Reisegruppe macht auf dem Bahnsteig Morgengymnastik. Vorne laeuft eine ChS2, wahrscheinlich seit Yekatarinburg. Dieser Streckenabschnitt ueber Tyumen bis Omsk hatte bis vor kurzem Dieselbetrieb. Jetzt stehen die wuchtigen Doppellok TE116 in Gruen mit gelbem Fuehrerstand auf einem riesigen Lokomotivfriedhof, offiziell vermutlich noch als strategische Reserve.

Das Fruehstueck im Speisewagen besteht aus Raeucherlachs, Spiegelei, Wurst, Kaese, Kefir und Tee. In Nazyvaevskaya findet Lokwechsel statt, wieder eine ChS2. Am anderen Gleis steht ein Postzug mit der Doppellok VL11. Die Sensation aber ist der Einkauf am Bahnsteig: sieben Raeucherfische fuer einen Rubel...


Kirov (WS)



Ishim (WS)

Omsk (WS)

Mittags kommt ein langer gruener Zug entgegen, es muesste die Nummer 171 von Tayga ueber Kazan nach Moskau sein. Dann eine staehlerne Bruecke, wie ueberall in Sibirien aus militaerischen Gruenden fuer beide Gleise getrennt, ueber einen großen Fluss - der Irtysch. Ankunft in Omsk. Auf den Nachbargleisen stehen Zuege Chelyabinsk - Chita, Ussuriysk - Moskau und eine gruene Garnitur mit dem gelb angeschriebenen Namen "Omych", auf den endlosen Rangierbahnhoefen Gueterzuege mit VL10 oder "Taigatrommeln" 2M62. Nach Ausfahrt an Beton-Mietskasernen und Holzhaeuschen vorueber kommt in Gruen mit Gelb wieder einmal ein "Sibiryak" entgegen, dazu der "Altay" Barnaul - Kazan - Moskau, und dann folgen vier Zuege, teilweise mit blauen Wagen, einer davon laut Kursbuch aus Abakan.

Birken im Spaetnachmittagslicht ueber endlosen Flaechen von gelbem Steppengras und Sumpf, Einfahrt in einen Bahnhof, Barabinsk. Hier fehlt der Polizist an der Fußgaengerueberfuehrung und sofort wird sie von den Chinareisenden erstuermt. Unten steht der blaue Schnellzug "Baikal" von Moskau nach Irkutsk, der hier ueberholt wird, und ein gewoehnlicher Zug, wahrscheinlich von Wladiwostok nach Moskau. Und eine abgestellte Raritaet ist zu entdecken, eine tschechische ChS3, die kleinere Schwester der Standardlok ChS2, die hier alle Reisezuege zieht.

Orangerot geht ueber den Gleisen die Sonne unter. Schwarzer Qualm quillt aus den Heizoefen der Schlafwagen. Die Nacht wird kalt... Nach Stunden eine spiegelnde Wasserflaeche, der Ob, der bis ins Eismeer fließt, und die Lichter der Millionenstadt Novosibirsk. Gefrorene Straßen, eisige Bahnsteige. Nebenan steht der Schnellzug "Rossiya" mit zwei ChS2, auf der anderen Seite der Zug 29 nach Moskau ueber Nizhni Novgorod. Bei der Kaelte ist es besser, im Abteil zu bleiben.

Drei Uhr morgens Moskauer Zeit, der Horizont leuchtet aber schon orangerot. Ein Halt, Mariinsk, Pulverschnee auf den Bahnsteigen, Wechselstromlokomotiven, eine VL60 uebernimmt, die ChS2 bleibt zurueck. Ein schneebedeckter zugefrorener Fluss, verschneite Kiefernwaelder, Schneehuegel am Horizont, die letzten Auslaeufer des Altai. Sibirien ist schoen. Wie weit weg ist hier der Westen...


Spalnyi Myagkii Vagon (WS)

Siberia (WS)

Siberia (WS)

Krasnoyarsk (WS)

In Bogotol dampft eine Gueterzuglok L in der Morgensonne. Waehrend eines Signalhalts ist ein Dorf zu sehen, Holzhaeuschen unter meterhohem Schnee, wie im Wintermaerchen... Dann Halden, Industrieschlote, ein großes Lokdepot, VL60, VL80, moderne ChS4T, alte TE3: Krasnoyarsk. Am gleichen Bahnsteig faehrt ein Personenzug Chelyabinsk - Chita mit einem Wagen aus Novokuznetsk ein, der Gegenzug fuehrt einen zweifarbig roten zwischen gruenen Wagen, vermummte Leute mit Pelzmuetzen steigen ein, unter ihren Stiefeln knirscht der Schnee. Hinter angelaufenen Fenstern blicken Kindergesichter.

Ausfahrt ueber den Staudamm des Jenissei - eine große graue Wasserflaeche zwischen verschneiten Huegeln. In zahlreichen Kurven geht es durch Fichtenwald. In Uyar, einem schmutzigen Bergbaurevier, kommt der Personenzug Wladiwostok - Moskau entgegen, auch er mit VL60. Kansk-Eniskeyski, hier wartet ein Postzug. Ilanskaya: eine riesige gruene Ellok wird in den Schuppen rangiert. Es ist die VL86F fuer die BAM, die staerkste Lokomotive der Welt, auf Probefahrt. Und gegenueber kommt ein Zug zum Stehen, dessen gruene und blau-gruene Wagen noch ein bisschen schmutziger zu sein scheinen als die anderen, der Schnellzug 87 aus Tynda an der BAM, der Baikal-Amur-Magistrale, via Irkutsk. Viele Dampflokomotiven der Fernost-Serie Ye sind hier abgestellt.

Der Himmel hat sich grau ueberzogen. Die Chinesin im Seitengang singt leise. Halt vor einem einfachen Bahnhofsgebaeude, Taishet. Gluehlampen leuchten hinter beschlagenen Fenstern. Dicke Muttis in weißen Schuerzen verkaufen etwas an einem Kiosk, Kinder winken zaghaft, als sich der fremdlaendische chinesische Express wieder in Bewegung setzt. Unter Industrieschornsteinen in der Daemmerung zweigt links die Strecke zur BAM ab. VL60, auch in Blau, sind zu sehen, viele alte Reisezugwagen aus der Zarenzeit rosten zwischen Schneefeldern dahin.

Der Englaender im Nachbarabteil spielt Gitarre. Nizhne-Udinsk, es ist Nacht geworden. Der Vollmond scheint auf die verschneite Taiga.

3 Uhr 15: Irkutsk. Die Sonne steht am Himmel, Ortszeit ist 8 Uhr 45, die Bahnhofsuhr zeigt aber, wie ueberall an der Transsib, Moskauer Zeit. Ein Eisenbahner schlaegt die meterlangen Eiszapfen unter den Wagen ab. Seit Zima zieht eine Gleichstromdoppellok VL10 in Gruen mit gelbem Fuehrerstand. Eine VL10 ist es auch, welche die grau mit blau gestrichene Garnitur des "Angara" zur Fahrt nach Lena an der BAM bereitstellt. Abfahrt an den Eisschollen des Flusses Angara entlang, welche sich an den Bootsstegen aufgetuermt haben, die Stadt als Hintergrund. Dann geht es durch viele Kurven und durch Kiefernwald zu einer Passhoehe empor, der erste Tunnel, weit unten der Baikalsee, schneebedeckte Berge jenseits - eine Fahrt wie durch die schweizerischen Alpen...

Mit zwei VL10, also eigentlich vier Lokomotiven, kommt ein Gueterzug entgegen. In Slyudyanka stehen diese gigantischen Gespanne aufgereiht, daneben eine blaue TE3, und betriebsfaehige Dampflok der Serie L. Unserem Schnellzug wird wieder eine VL60 vorgespannt.


Baikal (WS)



Baikal (WS)


Express Moskva - Ulaanbaatar - Beijing, VL60p/k, Slyudyanka 1988 (WS)

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Wie an der Riviera geht es am Baikalsee entlang, aber der See ist eine einzige Eisflaeche, die in der Ferne im Dunst verschwindet, eine unendliche weiße Flaeche, auf der das Sonnenlicht blendet. Misovaya: ein kleiner Bahnhof am Ufer, ein altes Stellwerk, hier stiegen einst die Fernostreisenden vom Faehrschiff auf den Zug um. Dann wendet sich die Strecke landeinwaerts in eine Mittelgebirgslandschaft, der Zug "Rossiya" mit VL60, ganz in Gruen, kommt entgegen, auf einer langen Bruecke wird der zugefrorene Fluss Selenga ueberquert, in der Ferne tauchen die Schornsteine von Ulan-Ude auf.

Mongolische Gesichter am Bahnsteig, eine TE3 der seltenen ersten Serie ist schrottreif abgestellt, eine blaue Rangierlok TEM2 zieht den letzten Wagen ab, eine neuere Diesellok TE3 in Gruen mit Rot uebernimmt den Zug. Ein Blick in eine Straße, kommunistische Propaganda auf den Hauswaenden, Industriequalm, dann geht es steil abwaerts, in der Steigung warten drei entgegenkommende schwere Gueterzuege auf Einfahrt, ohne Abstand aufgereiht, ein vierter und ein fuenfter folgen im Blockabstand, alle mit VL80, einer aber mit einer dumpf droehnenden dunkelroten Diesel-Doppellok, der großen 2TE116. Dieser kommt von der nicht elektrifizierten eingleisigen Strecke aus der Mongolei, in die wir bei Saudinski einbiegen und die in einer Schleife oberhalb der Stadt Ulan-Ude nach Sueden fuehrt. Es ist eine kahle Balkanlandschaft, mit schmiedeeisenumwehrten Friedhoefen da und dort im Steppengras, nur das Eis des Flusses Selenga erinnert noch an Sibirien. Und der russische Speisewagen, in dem die Muttis zum letzten mal den ueblichen Lachs und den Boeuf Stroganoff servieren. Eine von ihnen ist deutscher Abstammung, doch sie erzaehlt es erst jetzt. Zwanzig Tage lang tut sie Dienst Moskau - Naushki, dann hat sie jeweils zwanzig Tage frei.

Von fern blinkt eine helle Flaeche ohne Schnee, aber voellig zugefroren, der Gusinoye-See. Ein Auto faehrt darueber. In einer einsamen Station wartet ein Zug mit TE3 und gruenen, blauen oder tuerkisgruenen Wagen, einer mit der Aufschrift "Narlag Mongol", die Begegnung mit dem Schnellzug ab. Es ist die Nummer 263 von Ulaanbaatar und Naushki nach Irkutsk. Die kahlen Berge werfen nun tiefe Schatten auf die gelbe Steppe.

Die erste Radarstation. Wir naehern uns der mongolischen Grenze. Im Reisefuehrer wird geraten, Kameras und Fernglaeser wegzupacken, die Mongolei ist strategisches Aufmarschgebiet. Die mongolischen Soldaten wuerden die Filme aus den Kameras reißen. Was wuerden sie erst zu den Teleobjektiven sagen? Beklemmung kommt auf.

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