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T r a v e l s  -  R e i s e n




S a s s n i t z - E x p r e s s



Kopenhagen-Express (Innsbruck -) Hamburg - Kobenhavn, DSB ME, Storstroem 1982 (WS)

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Unaufhaltsam. Ununterbrochen: Die Bahnen. Über Daemme hinhaemmernd, ueber Bruecken gebruellt, aus Diesigkeiten herandonnernd, in Dunkelheiten verdaemmernd: Summende brummende Bahnen.

Wolfgang Borchert
Eisenbahnen, nachmittags und nachts



Express Stockholm - Malmo, Stockholm 1982 (WS)

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Wasserflaechen im Sonnenlicht, dahinter die Stadt, rotbraun, blassgruene Kupferdaecher, das ist Stockholm an einem schoenen Fruehsommertag. Am Vaertan kommen die Schiffe der Silja Line aus Turku an, mit Zugsanschluss aus Helsinki. Frueher hatte es noch eine kuerzere Faehrstrecke aus Finnland gegeben, die in Norrtaelje an die schmalspurige Roslaegens-Bahn nach Stockholm Östra anschloss, heute eine elektrifizierte Vorortlinie. Aus dem Central-Bahnhof heraus, am spiegelnden Riddarholmen entlang, kommt am Nachmittag kurz nach zwei einer der typischen braunen Schnellzuege der SJ mit orangefarbener Rc-Ellok nach Goeteborg vorueber, ein ebensolcher nach Malmoe, am Schluss mit einem roten Mitropa-Schlafwagen nach Berlin - der Sassnitz-Express - ,dann noch ein Zug nach Malmoe, einmal in der Woche mit einem gruenen sowjetischen Schlafwagen nach Moskau, der unterwegs auf den Sassnitz-Express ueberstellt wird, danach der Zug nach Hamburg, an seinem Ende ein DB-Liegewagen und ein roter DB-Schlafwagen. Es ist der 1.Juni 1982 und das sind damals die einzigen internationalen Langstreckenzuege hier. Kein Skandinavien-Italien-Express schippert mehr mit den Faehren zum Kontinent, kein Italia-Express kommt mehr ueber Schwedens oder Daenemarks Bruecken gebruellt...

Die Zuege fahren durch die gruenen Villenvororte von Soedertaelje, durch das huegelige Soedermanland in den Spaetnachmittag hinein, auf der Bruecke ueber den Goetakanal, durch die Waelder, ueber die Seen und Suempfe von Smaland.

In Oslo hat sich schon gegen Mittag von dem schoenen alten Teil des Bahnhofs ein Zug in Bewegung gesetzt mit zwei NSB- und einem DSB-Wagen nach Kopenhagen, drei der SJ nach Helsingborg und einem der NSB nach Holden, gezogen von der Standard-Ellok der Serie 13, alles braun, außer dem dunkelroten DSB-Wagen. Einmal in der Woche fuehrt dieser Zug einen sowjetischen Schlafwagen Oslo - Moskau. Diese "politischen" Kurse wurden mittels Verzicht auf Achskilometerausgleich subventioniert durch den Kreml - waehrend die Schlafwagen von Oslo fuer den Nord-Express oder den Italia-Express laengst verschwunden sind. Um zehn Uhr nachts wuerde der sowjetische Wagen zusammen mit dem Sassnitz-Express in Trelleborg auf das Trajektschiff ueberstellt werden.


Express Oslo - Kobenhavn, NSB 14 & 13, Oslo 1982 (WS)

Sassnitz-Express (Muenchen -) Berlin - Malmo, SJ Rc, Trelleborg 1982 (WS)

Trelleborg am Morgen: Das SJ-Faehrschiff "Skane" ist aus Saßnitz eingelaufen, eine Dieselverschublok Ub rangiert Gueterwagen heraus, dazu einen tuerkis/cremefarbenen DB-Wagen 2. Klasse Muenchen - Malmoe und einen Mitropa-Schlafwagen Berlin - Malmoe. Sie werden auf dem benachbarten Gleis einem vierzig Jahre alten Vorortwagen und einem noch aelteren zweiachsigen Gepaeckwagen mit offenen Plattformen hinter einer Rc nach Malmoe beigestellt. Das ist der ganze Sassnitz-Express... Im Hintergrund ueberragt die weiße Faehre "Trelleborg" den Hafen.

Das andere Ende der Faehrstrecke, die Insel Ruegen, darf man als Westdeutscher damals nicht bereisen, denn das ist DDR. Deren politischer Status ist der Grund, warum sich diese Verbindung auf den Spuren der Vorkriegsschnellzuege nicht durchsetzen konnte, obwohl sie vom DDR-Verkehrsminister so sehr gefoerdert wurde. Erst nach der Wiedervereinigung kann man Ruegen, seine Kreidefelsen und den Faehrhafen besuchen, sehen wie die "Trelleborg" einlaeuft, rueckwaerts am Kai festmacht, wie eine gelbe Dieselrangierlok 106 drei hellgruen/cremefarbene DR-Wagen Malmoe - Berlin herausrangiert und in einer Kurve zu dem oberhalb der Stadt gelegenen Bahnhof hinaufzieht. Mit weiteren DR-Wagen faehrt der Zug in entgegengesetzter Richtung nach Berlin ab. Es ist der "Berlinaren". Der Saßnitz-Express kommt hier bei stockdunkler Nacht durch.

Weitab am oestlichen Ufer der Insel liegt der fuer die Sowjets angelegte "strategische" Faehrhafen Mukran. Fuer Reiseverkehr ist er kurz nach der Wiedervereinigung noch gesperrt. Jeeps mit Hammer und Sichel begegnen einem damals dort - und eine Atmosphaere des militaerischen Geheimnisses...
Der Berlinaren und der Saßnitz-Express werden in jenen Jahren von dunkelroten Ellok der DR-Baureihe 243 gezogen, der eine ueber Pasewalk, der andere ueber Neustrelitz. Frueher rangierten in Saßnitz die Tenderlok-Baureihen 74 und 94. Und die Pacific der Reihen 03, 01 und zuweilen 015 donnerten durch Vorpommern... Die Sowjet-Schlafwagen aus Stockholm und aus Oslo werden am Berliner Ostbahnhof auf den Ost-West-Express ueberstellt. Dazu kommt ein sowjetischer Schlafwagen aus Kopenhagen ueber die Faehrstrecke Gedser - Warnemuende im Ostsee-Express, dem der Wagen des Saßnitz-Express nach Muenchen beigestellt wird. Der Ostsee-Express benuetzt damals die alte Route des Nord-Sued (Brenner)- und des Berlin-Neapel (-Palermo,-Taormina)-Express aus der Epoche vor dem 1. Weltkrieg.


Berlinaren Berlin - Stockholm, DR 132, Berlin Ost 1984 (WS)

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Eine Reise im Saßnitz-Express, als er noch die Prestige-Verbindung der DDR von Skandinavien nach Suedeuropa bilden sollte, als Westdeutsche nur auf dem Weg zur alliierten Enklave West-Berlin die DDR durchqueren durften, ist in Erinnerung geblieben: Wir schreiben den Maerz 1970. Auf der Berliner Stadtbahn dampft der Ost-West-Express mit 03 oder 01, vorueber an Mauer, Wachtuermen, dem zerstoerten Reichstag und dem Bahnhof Friedrichstraße mit seinen Katakomben der Personenkontrolle. Der Schnellzug nach Hamburg faehrt mit einer 015 ab und aehnlich imposant haette man sich auch die in der DDR geplante, nie gebaute 0120 vorstellen muessen. Der D128 Saßnitz-Express Berlin Ost - Muenchen laeuft hinter einer DR-Diesellok V180 im Bahnhof Zoo ein, in dessen Schalterhalle der Putz in Fetzen von der Decke herabhaengt. Am Zugschluss ist an jenem Ostermontag, dem 31. Maerz 1970, ein einziger DR-Kurswagen aus Saßnitz - leer. Der amtliche Zugbildungsplan hatte je 3 DB-Wagen Berlin - Stuttgart und Muenchen, den Mitropa-Speisewagen und zwei DR-Wagen Berlin - Muenchen sowie einen Malmoe - Muenchen verzeichnet.

Am Bahnhof Griebnitzsee, neben Mauer, Stacheldraht und Hundezwinger, ist DDR-Grenzkontrolle. Durch Kiefernwaelder und an Doerfern mit Staubstraßen vorueber geht es anschließend durch die Mark Brandenburg. Die Strecke ist eingleisig, das zweite Gleis "haben die Russen mitgenommen". Die einstige Hauptstrecke vom Anhalter Bahnhof ist es sowieso nicht. In Dessau, nach Überqueren der Elbe, kommt eine Ellok vor den Zug. In Bitterfeld steht Polizei auf dem Bahnsteig, niemand darf in der DDR in den Transitzug einsteigen. Alte Wagen sind abgestellt und in Halle ist einer von ihnen unverkennbar ein preußischer Regierungssalon, vielleicht aus dem Kaiserzug. Naumburg: Wie schoen waere es, den Dom und die Burgen an der Saale zu besichtigen - Aussteigen verboten. In Camburg wird die Ellok gegen eine Dampflok ausgetauscht und als sie auf dem Nachbargleis vorueberrollt, ist sie zu erkennen: die E18 19, dunkelgruen, eine jener Lokomotiven, welche in die Sowjetunion entfuehrt, dort aber nie eingesetzt worden sind.

Unter den Schwaden der Dampflok, es mag eine 2310 sein, kurvt der Zug durch das Saaletal. Probstzella ist DDR-Kontrollstation. Hunde mit Maulkorb werden zum Schnueffeln nach Fluechtlingen unter den Wagen hindurchgejagt. Der Gegenzug faehrt mit DR-Dampflok nach Norden aus, am Schluss noch die Mikado 22 001, ein Umbau aus einer 39.

Wieder eine schoene E18, nun eine dunkelblaue 118 der DB, zieht den Saßnitz-Express bis Nuernberg. Eine 194 schiebt nach ueber die schneeverwehten Auslaeufer des Thueringer Waldes. Vom Zug aus ist der Todesstreifen sichtbar, den die Sowjets in den Wald hauen ließen. In Ludwigsstadt, wo die legere westliche Kontrolle stattfindet, schenkt die Bahnhofsmission Pfefferminztee aus, gratis. In Steinbach bleibt die 194 zurueck. Bei einem spaeten Mittagessen im Speisewagen, bei gutbuergerlichem Braten, Salzkartoffeln und Rotkohl, erzaehlt ein Mitreisender von seinen haeufigen Fahrten durch die DDR. In Helmstedt mussten einmal alle Passagiere, die keinen Sitzplatz hatten, aussteigen zur Kontrolle, einige kamen in ein Einzelzimmer und mussten sich bis auf die Hose ausziehen. "Ich hatte 800 Ostmark im Hosenboden, aber die fanden sie nicht", sagt er triumphierend. Unter dem Nieren-Dekor des Mitropa-Speisewagens gibt es Radeberger Pils, russischen Kognak, aber auch Hennessy. Und manche Herren gehen da hinein wegen des echt-russischen Wodka.

Zwischen Nuernberg und Muenchen zieht eine 118. Zeitweilig ist es aber auch eine E19 gewesen, jene Schnellfahrlokomotive, die vor dem Krieg fuer FD-Zuege Berlin - Muenchen und fuer 180 km/h gebaut worden war. Hinter Augsburg sind ganz in der Ferne die Alpen zu sehen und die Mitropa-Kellnerin sagt, wie sie den Blick genießt. Dahinter muss Italien sein, aber da duerfen DDR-Staatsangehoerige nicht hin...

Sassnitz-Express Riviera-Express Brenner-Express