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I n   m e m o r i a m



Barcelona-Express Paris - Port Bou, SNCF 141R, Port Bou 1960 (WS)


Sommer 1960: Im Nachtschnellzug "Strasbourg-Pyrenees" nach Port Bou kann man sich auf Kunstlederbaenken ausstrecken. Vorne rumort seit Avignon eine 141R, manche Spanienzuege werden noerdlich von Narbonne auch von dem eleganten Raubtier 241P befoerdert. Narbonne ist verschlafen worden und auch Perpignan, wo die filigranen dunkelgruenen Elektrotriebwagen Z4900 der Pyrenaeenstrecke nach Villefranche zu sehen gewesen waeren. Als der Morgen graut, durchquert der "SP" im aetzenden Ölqualm seiner 141R den Grenztunnel vor Port Bou. Kurz darauf kommt unter der Rauchfahne einer ebensolchen Mikado zischend und stampfend der Barcelona-Express aus der Tunnelmuendung herauf: dunkelroter Postwagen, drei alte blaue und ein silberner Wagon-Lits, insgesamt 16 Wagen, alle aus Paris - einer der Grands Express Europeens einst. Noch frueher am Morgen muss der Zug aus Nizza und Rom angekommen sein.

Nach dem Kofferschleppen durch die Zollkontrolle hindurch erwarten den Reisenden die grau ueberzogenen Sitze mit Spitzendeckchen in einem Abteil des spanischen Anschlusszugs "Tren Rosa" Port Bou - Barcelona. Hinter einer Mikado 141F steht er mit den damaligen kurzen hellgruenen Einheitswagen und einem ehemaligen Sud-Express-Pullman als Speisewagen unter der Rundbogenhalle. Die Fahrt fuehrt ueber Massanet, wo die elektrische 7600 uebernimmt, die wie die franzoesische Weltrekordlok CC7100 aussieht, nach Barcelona. Um vierzehn Uhr laeuft der Zug in der grazilen staehlernen Halle des "Termino" ein.

Die Allee der Ramblas, die Kathedrale Sagrada Familia von Gaudi, die unnahbare Schoenheit der Katalaninnen, das sind die Eindruecke - aber auch die Überraschung, im Zug nach Tortosa einen ehemaligen Teakholz-Schlafwagen aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, wie er im Sud-Express gelaufen, zu entdecken, obwohl er mit Blechverkleidung und Sitzen "getarnt" wurde. Andere Sitzwagen sind tatsaechlich aus braunem Teakholz, sie laufen sogar noch bis Port Bou. Ganz normal hingegen praesentiert sich der Tages-Rapido nach Madrid. In Tarragoma sind von seinen Fenstern aus Garratt-Lokomotiven zu sehen, in Mora wird die Ellok durch eine 140E ersetzt, in Zaragoza, nach Durchqueren einer Felsschlucht mit senkrechten Waenden, kann noch eine der schoenen Nordbahn-Mountains des Hanomag-Typs bewundert werden. Als es Abend wird, in den oeden Bergen Kastiliens, ueberholt uns der "Talgo" Barcelona - Madrid, - eine Silberschlange aus Aluminium mit hochmuetig geschlossenen Vorhaengen, wie ein Raumschiff aus einer anderen Welt...

Ein Marokkaner im Zug hat in sein Elternhaus in Meknes eingeladen. Verlockend, mit einem der Nachtschnellzuege nach Sueden weiter zu reisen, der im alten Bahnhof Atocha hinter einer 241E wartet - einem fauchenden Ungetuem, in Dampfschwaden gehuellt, das Triebwerk beleuchtet... Die Fahrt am anderen Tag hingegen geht zum Escorial, dem Mittelpunkt des Weltalls Karls des Fuenften. In seiner kreuzfoermigen Kirche, Leonardo da Vinci's Konzept des Petersdoms, ist etwas von der Groeße des habsburg-spanischen Reiches zu spueren, in dem "die Sonne nicht unterging".

Groeße zeigt auch der Sud-Express, als er abends am schlossaehnlichen Nordbahnhof bereit steht: ein ehrwuerdiges zehnachsiges "Krokodil" der Klasse 7500, hellgruen mit rot hinterlegten Nummernschildern aus Messing, ein ebenfalls hellgruener Gepaeckwagen, zwei blaue Schlafwagen mit Tafeln SUD-EXPRESS MADRID - PARIS auf Franzoesisch, Speisewagen und nur zwei neue Sitzwagen. Groeße hat auch das Bernabeu-Stadion (Fußball-Europameister Real Madrid spielt an jenem Abend enttaeuschend, aber beim Nachhauseweg ist dem spanischen Supersportwagen Pegaso zu begegnen, teurer als ein Ferrari), Groeße atmet das Ritz (vor seinem Portal steht ein Hispano-Suiza aus den Zwanzigerjahren) und Groeße zeigt auch der Lusitania-Express aus Lissabon, wie er im Delicias-Bahnhof steht: einer der blauen Gepaeckwagen von Wagons-Lits, die einst auch in Mitteleuropa die Luxuszuege von gewoehnlichen unterschieden, ein Schlafwagen vom Typ Lj oder "Lujo", einer der alten "Butacas"-Wagen (mit einer noch "ersteren" Klasse als die Erste), ein blauer Speisewagen (einst "Etoile du Nord"-Pullman), und das alles hinter einer richtigen stromlinienverkleideten Dampflok, wie sie damals ueberall schon ausgestorben sind...

Mit so einem Zug zu reisen... Wenigstens photographiert muss er werden, abends bei der Abfahrt. Aber kaum ist das Stativ vor der "verschleierten Schoenen" aufgebaut, kommt Franco's Guardia Civil zum Verbieten. Und abermals spanische Groeße: ein uniformierter Offizier sagt, ihm sei von einem Verbot nichts bekannt, er bietet an, sich auf ihn zu berufen, und wieder wird das Stativ aufgebaut, diesmal mit Erfolg. Die Fahrt nach Lissabon aber geht mit dem gewoehnlichen Postzug dritter Klasse, denn der Lusitania-Express wuerde dem Studenten Extrazuschlag kosten.

Am anderen Morgen scheint die Sonne auf steinerne Huegel in weg- und baumloser Einsamkeit. An der Grenze in Valencia de Alcantara muss in einen portugiesischen Anschlusszug umgestiegen werden, welcher einen dunkelroten zweiachsigen Postwagen, einen grellgruenen Gepaeckwagen, einen braunen Teakholzwagen dritter Klasse, einen gruenen hoelzernen Zweite-Klasse-Wagen mit offenen Plattformen und einen staehlernen Wagen fuehrt. Gezogen wird er bis Entroncamento durch einen Tenwheeler von Henschel aus dem Jahr 1912! Bei Setil rast der "Surexpreso", der Sud-Express Lissabon - Paris, mit einer Baldwin-Diesellok vorueber, das Signalhorn minutenlang eingeschaltet. Ein blauer Wagons-Lits-Gepaeckwagen, zwei blaue Schlafwagen Typ S, ein neuer spanischer Erste-Klasse-Wagen und ein blauer Speisewagen, ehemals Pullman, verschwinden in einer Staubwolke...

In Lissabon ein paar Tage spaeter gegen 20 Uhr 30 auf dem Bahnhof Santa Apolonia: Menschengewoge, Überseekoffer, Gepaecktraeger, Wagons-Lits-Schaffner, feierliche Abschiede beim Lusitania-Express... Vornehmes aelteres Publikum steigt in die Schlafwagen ein, vielleicht Herrschaften aus Estoril, dem Exil der Koenige, wo damals ein Rolls Royce und ein Ferrari, aber keine normalen Touristen zu sehen gewesen sind. Kosmopolitisches Publikum fuellt das Abteil mit den Spitzendeckchen im "Butacas"-Wagen, ein Franzose, der in New York arbeitet und nun nach Hause faehrt, ein portugiesischer Pater aus Italien und ein italienischer Pater aus der Schweiz, beide auf der Rueckkehr aus Fatima, der Deutsche und "last", aber gewiss nicht "least" zwei Brasilianerinnen, eine blonde aus Belo Horizonte und eine brunette Schoenheit aus Rio, mit ihrem Mann.

Die Fenster sind offen in der lauen Sommernacht, der Laerm der Schienenstoeße stuerzt herein und der Klang des Signalhorns der Diesellok, vom Vorsignal bis zum Ende der durchrasten Bahnhoefe ununterbrochen eingeschaltet, hallt von den Hauswaenden wieder. Jeder soll wissen, dass der Luxuszug durchfaehrt. In Torre das Vargens gar wird seine Abfahrt im Ton eines Fado, eines portugiesischen Volkslieds - ausgesungen. Die Wagendaecher streifen die Baumkronen, als sich der Express langsam die Kurven zur Grenzstation Marvao-Beira hinaufwindet - und im Abteil diskutieren, rechten, streiten die beiden Schoenen mit dem Zoellner, der glaubt, im Pass eine Unstimmigkeit entdeckt zu haben. Bis zum ersten spanischen Bahnhof Valencia de Alcantara haben sich die Gemueter beruhigt und der Eisenbahnfreund kann nun zur Lokomotive vor gehen und sich ueberzeugen, dass die portugiesische Diesellok hier durch eine kohlegefeuerte 141 ersetzt wird.

Endlich ist ein bisschen Schlummer zu finden. Um sieben Uhr morgens, auf einem verschlafenen Kleinstadtbahnhof, stehen Leute, die von Franco's Polizisten strikt am Einsteigen gehindert werden. Der Luxuszug Nr. 1 "Lusitania-Expreso" ist in Spanien ausschließlich dem internationalen Verkehr vorbehalten. Nach dem Ausfahren aus der kleinen Station, sie heißt Talavera de la Reina, schaukeln die fuenf Wagen wieder ueber die eingleisige Strecke gemaechlich ostwaerts, dem Rauchschleier der Dampflokomotive folgend. Und - sie ist es, die Stromlinienlok! Am Orgelton ihrer Mehrklangpfeife war sie schon in der Nacht zu erahnen gewesen, sie muss seit Navalmoral oder Plasencia vor dem Zug sein. Madrid kuendigt sich mit einem Elendsquartier an, Huetten stehen im Staub, und daran faehrt der Luxuszug mit der Stromlinienlok und den Schlafwagen vom Typ "Lujo", Luxus, vorueber. Im Bahnhof Delicias faellt der Abschied von den neuen Freunden schwer. Wir wollen beisammen bleiben, gemeinsam ein Hotel suchen, und nehmen zwei Taxis. Die Taxis aber verlieren sich gegenseitig im Stadtverkehr.


Lusitania-Express, series 241F-2100, Madrid Delicias 1961 (WS)




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