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T r a v e l s  -  R e i s e n




"L e   M i s t r a l   d u   S e n e g a l"



Saint-Louis, Senegal (WS)


Keine Trans-Sahara-Bahn und kein Paris-Dakar-Express (wie in Pittigrilli's Skandalroman "Kokain" aus den Zwanzigerjahren) faehrt in den Senegal. Es ist ein Kleinbus, der uns von dem suedlichen Nachbarland Gambia aus im Februar 2000 in die senegalesische Hauptstadt Dakar bringen soll.

Doerfer und Savanne, das ist die Szenerie des Senegal. Seit Djourbel fuehrt die Asphaltstraße an einem Bahngleis entlang - der Meterspur der SNCS, der Societe Nationale des Chemins de fer du Senegal, ostwaerts zum Anschluss an das Netz der Regie du Chemin de fer du Mali (RCFM). Das haette einmal des letzte Teilstueck der Trans-Sahara-Bahn sein sollen. Auf dieser einstigen "Dakar-Niger" verkehrten von Dakar ueber 1230 km nach Bamako zur Kolonialzeit Schlaf- und Speisewagen, betrieben durch die Compagnie Internationale des Wagons-Lits et des Grands Express Europeens, dann mit staatlichem Service in den rotbraun-cremefarbenen Waggons, gelegentlichem Autotransport auf Flachwagen und - 1991 hieß es, dass silberne Wagen des "Mistral" hierher gebracht werden. Der Mistral Paris - Nizza war in den fuenfziger Jahren der "schnellste Zug der Welt"!

Den ganzen Nachmittag ueber ist kein Zug zu sehen. Nur die alten franzoesischen Formsignale kuenden vom Bahnverkehr. Erst in Thies steht ein Gueterzug hinter einer dunkelgruenen sechsachsigen kanadischen General Motors zur Abfahrt nach Osten bereit. Die Gleise vor dem großen Lokschuppen sind fast leer, lediglich eine Garnitur aus "Bruhat"-Vorortwagen ex-SNCF rangiert. Ein netter Eisenbahner ermutigt zum Photographieren ("geben Sie niemandem ein Trinkgeld dafuer") und er bestaetigt, nach Bamako faehrt wirklich der "Mistral".

Am anderen Tag geht es wieder an einem Bahngleis entlang, diesmal der Linie nach Norden, nach Saint-Louis. Das haette die Strecke von Pittigrilli's Paris-Dakar-Express sein koennen, haette es ihn jemals gegeben. Was der Bahnreisende nicht erleben kann: Besuch in einem Strohhuettendorf, die Großmama ist siebzig und bewundernswert, ihr Sohn ist der Haeuptling, vierzig Kinder haben die drei Familien. Spaeter geht die Savanne in Sandduenen ueber, Mauretanien ist nahe. Pelikane fliegen ueber einem Brackwassersee, rechts ueberquert ihn die Bahn auf einem staehlernen Viadukt, dann verzaubert der Anblick von Saint-Louis - ein broeckelndes Venedig ueber dem Senegal-Fluss, auf einer Insel zwischen dem Festland und einer Landzunge gelegen, hinter der der Atlantik brandet, zu erreichen von dem alten Kolonialbahnhof aus ueber eine fuenfhundert Meter lange uralte Stahlbruecke. Jenseits, in dem verfallenden Zauberreich, in der Halle des noblen Hotels Residence, vergilben an den Waenden zwischen Plakaten der Aeropostale aus den dreißiger Jahren die Photos der Flieger Saint-Exupery, Mermoz und Guillaumet - denn hier (tatsaechlich im benachbarten Hotel-Poste) hatten sie nach der gefuerchteten Mauretanien-Etappe Zwischenlandung auf dem Weg nach Dakar, wo anfangs eine Art Torpedoboot nach Natal in Brasilien anschloss.

Eine Fluglinie Paris - Saint Louis - Dakar wurde wieder eingerichtet, aber der Triebwagenverkehr von hier nach Dakar ist Mitte der neunziger Jahre stillgelegt worden. Der Rezeptionist bedauert das ("im Speisewagen faehrt es sich doch besser als im Auto") und er hofft, dass der Verkehr wieder aufgenommen wird. Er bedauert auch, dass in jenem Jahr die Paris-Dakar-Rallye auf einer anderen Route ausgetragen wurde.

Nach Dakar bringt uns der Bus ueber rund 250 Kilometer. Äcker zwischen Baobab-Baeumen, die Bahnstrecke und bei Rufisque dann Wellblechhuetten, Menschenmassen und Staus zeigen die Naehe der Hauptstadt an. Die Betonpyramide der westafrikanischen Zentralbank, dann die Place de l'Independence, das Außenministerium und gegenueber "unser" 20-stoeckiges Hotel mit Panoramablick auf den Hafen, die einstige Sklaveninsel und die Dreimillionenmetropole, die groeßte Stadt Westafrikas.

La Gare, der Bahnhof, ist franzoesisch, alt, repraesentativ. Ein "Petit Train Bleu", ein blauer Vorortzug, steht da mit der BB1608 von Alsthom und ein braun-rot-gelber Dieseltriebzug ZE141 aus Thies mit franzoesischen "Bruhat"-Wagen laeuft ein. Der Express nach Mali aber ist nicht zu sehen, er verkehrt nur zweimal in der Woche. Der Chef de la Gare raet, ins Depot zu gehen und - da stehen wirklich die silbernen Inox-Wagen des Mistral!

Der Depotchef schuettelt die Hand, unzaehlige Haende sind zu schuetteln, man darf den ganzen Zug besichtigen, auch von innen. An der Spitze des tags zuvor angekommenen Express 2 war der Fourgon-Generateur gereiht, mit dunkelrotem Band und der Schrift "Trans-Eurp-Express" ueber den Fenstern. Er versorgt den Schlafwagen "1re Lits", die 1. Klasse und den Speisewagen mit Strom fuer die Klimaanlagen. Der Schlafwagen ist ein nachtraeglich mit vier Liegen pro Abteil ausgestatteter Sitzwagen, die 1. Klasse aber hat noch die traditionelle rote Polsterung in den Abteilen, die gelb geflammten Kunststoffwaende und im Vestibuel des Speisewagens haengt die franzoesische Landkarte. Das war der Mistral jener Jahre, als er im Rauchschleier seiner 241P durch die Provence jagte!

Sandstaub bedeckt jetzt den Boden, mehr Trans-Sahara als Mistral, aber der begleitende Eisenbahner sagt, dass die Wagen, wie nach jeder Fahrt, noch gruendlich gereinigt werden. Der Speisewagen ist ein Umbau aus einem Sitzwagen, allgemein sind oeffenbare Fenster eingebaut worden, aber es wird versichert, dass die Fahrzeuge aus dem Mistral stammen. Hinter dem Speisewagen sind normalerweise sieben Wagen B8 der 2. Klasse gereiht, ehemals Erste, alles in silbernem Edelstahl.

Der Zug wird am Mittwoch nach Bamako abfahren. Bis Kidira zieht ihn eine der sechsachsigen kanadischen Diesellok. Frueher besorgten die Traktion die franzoesischen BB1600 im Senegal und die gleichen BoBo der CFM in Mali, alle dunkelgruen gestrichen. In Kidira wird die senegalesische Maschine den Gegenzug uebernehmen, die Garnitur der RCFM aus Mali. Dies sind aeltere Wagen, die Farben etwa wie der "Petit Train Bleu", sagt der Eisenbahner. Ein Bericht in La Vie du Rail von 1994 zeigt sie als stromlinienfoermige "Forestier"-Typen ex-SNCF. Der senegalesische Express hatte damals noch aus alten braun-cremefarbenen Wagen bestanden.

Photographieren? Nein, das erlaubt der Depot-Chef nicht. Nur der Generaldirektor in Thies kann die Erlaubnis geben. Der ist telefonisch nicht zu erreichen. Wieder beim Chef de la Gare ist zu hoeren, er kann keine Autorisation erteilen, denn das Depot ist nicht sein Reich. Man koenne es doch beim Chef der Vorortstrecke versuchen. Der telefoniert, aber niemand meldet sich. Die Loesung: Man solle doch am Abend wiederkommen, da wird der Express schon fuer den naechsten Morgen am Bahnsteig bereitgestellt; das ist sein Bereich und dafuer gibt er die Photoerlaubnis.

Gegen 19 Uhr steht der Express 1 am Bahnsteig, nun in umgekehrter Reihung. Der Fourgon-Generateur kommt anscheinend erst mit der Lok; Lits, 1. Klasse und Restaurant folgen, dahinter diesmal 6 Wagen 2. Klasse. Am anderen Morgen, es ist Mittwoch, der 16. Februar 2000, ist der Hauptzugang gesperrt, wohl um Platz fuer die Fernreisenden frei zu halten: alles Afrikaner, aber nicht die Alleraermsten, viele in die malerischen bunten Boubous gekleidet, zur dreißigstuendigen Fahrt nach Bamako in das abgelegene Mali. Der Brief des dortigen Eisenbahn-Generaldirektors kommt in Erinnerung: Er entschuldigte sich persoenlich dafuer, dass er keine Photos senden konnte, die Bahn hatte keine. Welch ein freundliches Land muss das sein! Die Fahrt dorthin geht mit dem "Mistral" Afrikas...

Den naechsten "großen" Express gibt es erst wieder im Sueden des Kontinents oder - vielleicht mit franzoesischen TEE-Wagen in Cuba - jenseits des Suedatlantik.

Dakar, la gare (WS)



"Le Mistral" Dakar - Bamako, Dakar, Feb. 2000 (WS)


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