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M a r o k k o   -   e i n e   R e i s e
b i s   a n s   E n d e   d e r   B a h n




Rapide OC Oujda - Casablanca, DH350, Fes 1998 (WS)


Ein Maerchen aus tausendundeiner Nacht, verwirrende Souks, verwunschene Gaesschen, huegelauf, huegelab, versteckte Moscheen, das ist Fès el-Bali, die Altstadt von Fès, der malerischsten unter den marokkanischen Koenigsstaedten. Der Bahnhof liegt in der Neustadt.

Es ist vier Uhr nachmittags, der Bahnsteig fuellt sich mehr und mehr mit Menschen, europaeisch gekleidet die meisten, aber auch Frauen in den leuchtend gruenen und roten traditionellen Gewaendern dazwischen. In der gleißenden Sonne warten sie auf den Rapide OC Oujda-Casablanca. Fuenf Stunden Fahrt von der algerischen Grenze her hat er hinter sich, als er mit zwei gewaltigen sechsachsigen General Motors, Reihe DH 350, dieselelektrischen GT 26 CW, und 13 Wagen einlaeuft, Schnellzugwagen vom franzoesischen "Corail"-Typ mit Abteilen wie in Europa, alle klimatisiert, und alles in den Standardfarben creme-rot gestrichen. Es ist Sonntag, die Garnitur wurde verstaerkt, die Menschen draengen an den Tueren, waehrend sich vorne anstelle der Diesel eine typische Alsthom-Ellok, eine vierachsige E1300 entsprechend der BB7200 der SNCF, mit drei weiteren Wagen an den Zug setzt. Lautsprecherdurchsage auf arabisch und franzoesisch, die letzten Fahrgaeste kommen gerannt. Langsam setzt sich die Wagenreihe in Bewegung, einen Buffetwagen, zwei Erstklass- und einen Generatorwagen am Schluss. Sein Diesel brummt auf Hochtouren, einen leichten Rauchschleier bei der Abfahrt hinter sich lassend.

Am anderen Morgen, dem 16. Februar 1998, steigen wir in Fès in den Rapide FES2 nach Marrakech ein: die gleichen Wagen, die zweite Klasse mit organgefarbenen Kunstlederbaenken, die erste mit weißen Deckchen. Die sechs Wagen werden von einer sechsachsigen Hitachi-Ellok der Serie E1250 gezogen. Bei der Ausfahrt unter der 3kV-Gleichstromfahrleitung steht links eine polnische CoCo der Serie E1000 und eine Garnitur aus polnischen Schnellzugwagen, dunkelgruenen gebrauchten belgischen Eilzugwagen und einem alten stromlinienverkleideten Generatorwagen - der "Train ordinaire" nach Casablanca. "Salam aleikum", grueßt der Schaffner der ONCF in eleganter franzoesischer Uniform, als er die Fahrscheine kontrolliert.

Ein Schafhirt auf einer Wiese, eine kleine Moschee, Grabsteine, wie Felsen in der Einsamkeit der Natur ueberlassen, ein Dorf aus Lehmziegeln mit einem weiß-gruenem Minarett, so beginnt die Fahrt durch Marokko. Kurven zwischen Olivenbaeumen, Agaven und Weinbergen, dann folgt wieder Ebene, alles tiefgruen um diese Jahreszeit. Eine große Stadt, ein Depot, auch mit Alsthom-Diesellok DF100 entsprechend der CC72000 der SNCF: Meknès - ein Gewirr von Souks innerhalb von zwanzig Kilometer langen Felsmauern, errichtet von Mulay Ismaël, der fuenfhundert Frauen, zwoelftausend Reitpferde und dreißigtausend Sklaven besessen haben soll.

In Kurven windet sich das eine Gleis abwaerts, wieder zwischen Olivenhainen und ueber Wiesen, die mit orangefarbenen Blumen gesprenkelt sind. Tue-ta toent das Signalhorn auf franzoesisch. Mit dem Zug bis Casablanca fahren, das war der Jugendtraum waehrend der ersten Spanienreise gewesen - vierzig Jahre spaeter hat er sich verwirklicht...

Eine Felsschlucht, Orangenbaeume am Bahnsteig, eine Ölraffinerie: Sidi Kacem. Ein Gleisdreieck nach der Ausfahrt ist die Einmuendung der dieselbetriebenen Strecke aus Tanger. Der Zug mit Faehranschluss aus Spanien, der Rapide TC Tanger Port - Casablanca Port, haelt erst in der naechsten Station, Sidi Slimane. Kein Lokdepot ist dort zu sehen, nur ein hoelzerner ehemaliger Erstklasswagen mit Doppelfenstern und ein Mittelwagen aus jenen modernen Dieselschnelltriebzuegen XDd, die einst die Reisenden in Tanger empfingen, jetzt als Lager abgestellt.

Ebene nun, Sandboden, Eukalyptuswaelder, Forstwirtschaft. In Kénitra befindet sich ein großes Ellokdepot, ab hier ist die Strecke zweigleisig. Der Zug faehrt schneller, 130 km/h normalerweise, die belgischen Elektrotriebwagen "Navettes rapides" bis zu 160 km/h. In den Vororten von Salé krachen Steinwuerfe in den Wagen. Einen Bogenbruecke fuehrt in einer weiten Rechtskurve ueber ein Flußdelta, am anderen Ufer liegt die Hauptstadt Rabat: Mauern, Haeuser, der achthundert Jahre alte Tour Hassan, das Mausoleum von Koenig Mohammed V und zum Meer hin die Kasbah des Oudaya, einstiger Piratensitz.

Zwischen zwei Tunneln ist der Bahnhof Rabat Ville eingezwaengt. Wieder im offenen Land, sind links uralte Haengebruecken zu sehen, wohl Reste der alten Schmalspurbahn, die einst Marokko erschloss. Vororte, Einfahrt in einen Bahnhof mit weißem Turm: Casablanca Voyageurs.

Eine Dunstglocke liegt ueber der Dreimillionenstadt. Hochhaeuser, tosender Verkehr, schoene Frauen, franzoesische Straßencafés und am Atlantik die gigantische Moschee Hassan II, wie ein Ozeandampfer im Meer - das ist Marokkos Weltstadt.

"Touristendampfer kommen ganz selten", sagt der Polizist, der den Zugang zum Hafen verwehrt. Ein Passagierterminal ist nicht zu sehen. Schmucklos in der Umgebung schaebiger Cafés steht da der Hafenbahnhof Casa Port. Hier verkehren fast ausschließlich die "Navettes rapides" nach Kénitra oder zum Flughafen Mohammed V. Nur ein einziger Fernzug, creme-rot wie alle anderen, aber auch mit Mittelgangwagen, ist abgestellt. Es koennte "Al Maghreb al Arabi" sein, der Nachtzug aus Oujda mit Anschluss aus Algier, der Nachfolger des einstigen "Trans-Maghreb". Ein Photo - und schon kommt das Verhaftungskommando (Casa ist doch nicht so langweilig wie der Reisefuehrer behauptet, obwohl Humphrey Bogart's Film "Casablanca" gar nicht hier gedreht worden ist). Nach der Ausfahrt sind dann auch hochinteressante demolierte "Forestier"-Wagen in SNCF-Farben, ein uralter Reisezugwagen in Creme-rot mit Doppelfenstern und eine vierachsige alte Alsthom-Ellok zu sehen (die schoene E800 entsprechend der beruehmten CC7100 zeigt sich nicht, sie war fuer den Phosphatverkehr bestimmt), dann ein Stueck Atlantik-Duehnung und einige "bidonvilles", die wenigen verbliebenen Elendsviertel. Bei Einfahrt in den Bahnhof Casablanca Voyageurs stehen rechterhand die modernen creme-roten Reisezuege, einer der Wagen ein Couchettes, nur an dem C kenntlich.

Tage spaeter entfuehrt uns der Rapide FM weiter suedwaerts, diesmal hinter einer E1300 von Alsthom. Bei Settat geht es aus der Ebene aufwaerts, an Grashuegeln und Eukalyptusgruenden vorueber in eine Szenerie karger Tafelberge hinein. Schafherden, irgendwo Dromedare, Lehmdoerfer, Baeuerinnen in langen farbigen Gewaendern - eine biblische Landschaft. Eine kleine Stadt, beige und rosa nun die Haeuser und auch der Bahnhof, nicht weiß wie im Norden: Benguerir. Hier zweigt eine Phosphatbahn nach Safi am Meer ab.

Wieder wird eine baumlose Huegelkette ueberquert. Die Bauerngehoefte hier sind ganz von braunen Mauern umgeben - mehr Afrika als Maghreb. Zwischen Wolken in der Ferne schimmern die 4000 Meter hohen Atlasberge. Palmenwald, Befestigungen auf einem Felsen, und dann folgt die Lautsprecherdurchsage: Marrakech, Endstation.

Fremdartig ist Marrakech, fremdartiger als alle anderen Koenigsstaedte Marokkos. Viele Frauen gehen hier ganz verschleiert, vor der Medina draengen sich die Menschen um Gaukler, Trommler, Wahrsager, Schlangenbeschwoerer und ueber den engen Souks, den Gaerten und Palaesten glitzern fern die schneebedeckten Berge des Hohen Atlas.

Fuer die Eisenbahn ist Marrakech die Endstation, das Ende der Linie aus Europa. Die naechste Bahn gibt es erst wieder jenseits der Sahara.


Casablanca (WS)

Rapide CO Casablanca - Oujda, Meknes Ali Amir Abdelkader, Feb.1998 (WS)

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